Shiva und Shakti
Seit Menschengedenken plagt uns Menschen die Sehnsucht nach Ganzheit. Auf die alten Griechen geht die Legende zurück, dass wir Menschen ursprünglich ein kompettes Mann-Frau-Wesen waren. Aber die Götter waren eifersüchtig auf das Glück dieser Wesen und spalteten uns in zwei Hälften, Mann und Frau. Und diese zwei Hälften sind nun seit Urzeiten auf der Suche nach dem passenden Gegenstück, das uns vervollständigt. Der Stoff dieser Suche füllt Romane, Filme und Gerichtsakten und ist Teil unseres ganz persönlichen Liebes- und Leidensweg auf der Suche nach Erfüllung. Doch wie die Weisen schon immer predigten, liegt das dauerhafte Glück nicht im Aussen. Wir können es nur in uns selbst finden.
Androgynität nannten es die Griechen, wenn ein Mensch beide Anteile in sich entwickelt hat, seine weibliche und seine männliche Seite. In der indischen Mythologie gibt es die Gestalt von Shiva Ardhanareshwara, eine Wesen halb weiblich, halb männlich. Erst wenn wir unsere weiblichen und männlichen Anteile erlöst haben, ist wahrer Frieden in Beziehungen möglich, können wir dem Krieg der Geschlechter entkommen. Wenn wir den andern nicht mehr brauchen als unsern Rettungsanker im Sturm des Lebens, wenn wir selbst in der Fülle sind, komplett, erst dann wird unser Lieben bedingungslos, ist nicht weiter ein Zusammensein aus Bedürftigkeit, das Füllen eines Mangels, sondern ein freiwilliges und bewusstes Teilen. Die tiefe Verbindung und Integration unserer inneren Frau, unseres inneren Mannes hilft uns, Menschen des anderen Geschlechts (und auch unsere eigenen Geschlechtsgenossen) wirklich zu verstehen.
Das soll nicht heissen, dass wir vorher keine Beziehungen eingehen sollten – Beziehungen sind ein wunderbares Lernfeld. Mein spiritueller Lehrer, Sri Prem Baba, sagt, Beziehungen sind die Universität des Lebens. An Beziehungen wachsen und reifen wir, reiben wir uns, schleifen unsere Ecken und Kanten ab. Khalil Gibran schreibt darüber meisterhaft in seinem Gedicht über die Liebe:
„Denn so, wie die Liebe dich krönt, kreuzigt sie dich.“ Doch je mehr wir mit unseren weiblichen und männlichen Anteilen in Kontakt sind und in Frieden, umso mehr reflektiert sich das auch in unseren Beziehungen.
Unser Bild von Männlichkeit und Weiblichkeit wird von vielen Faktoren beeinflusst. Die Prägung entstehen schon früh in unserem Leben durch unsere primären Bezugspersonen, durch die Gesellschaft, in die wir hineingeboren werden und durch unsere Erfahrungen, die wir im Laufe des Lebens machen. Viele Menschen tragen Verletzungen in sich bezüglich ihrer Weiblichkeit bzw. Männlichkeit. Das verletzte, unerlöste Weibliche ist das geborene Opfer. Das verletzte, unerlöste Männliche der Täter. Die meisten von uns sind mit beiden Rollen bestens vertraut, spielen in verschiedenen Beziehungen mal die eine, mal die andere Rolle oder spezialisieren sich im Laufe eines Lebens auf das eine oder andere. Dabei ist das Opfer nicht einfach hilflos und bedauernswert, die Interaktion zwischen Opfer und Täter ist ein Machtkampf, bei dem es um Energie und Einfluss geht. Das Opfer operiert gern mit Hilfe von emotionaler Erpressung und Schuldgefühlen und kann dabei enormen Einfluss und Macht erlangen. Gerne sehen wir in unserer Gesellschaft den Täter als den Alleinschuldigen, aber es braucht immer zwei, die mitspielen. Das Opfer sucht sich einen Täter, der Täter ein Opfer. Beide könnten nicht existieren ohne einander. Eine beliebte Form des Täters ist die Maske des Retters. Wir müssen uns als Gesellschaft nicht nur fragen, weshalb wir so viele Täter produzieren, sondern auch so viele Opfer.
Das heile Weibliche zeigt sich in der Freude zu geben, in Hingabe, Schönheit, Anmut, Liebenswürdigkeit, in der Gabe, sich um andere zu kümmern, in bedingungsloser Liebe.
Das heile Männliche ist pure Präsenz. Es kann den Raum halten, bringt Klarheit, Geradlinigkeit, Disziplin ins Leben, ist ein gerechter König, ein guter Anführer, ein guter Untergebener und gerechter Chef. Es kann gehorchen und Regeln befolgen.
Wie steht es bei dir mit diesen zwei Aspekten? Hast du schon beide Anteile in dir integriert? Im Hatha Yoga, dem Yoga der Sonne (Ha, des männlichen) und des Mondes (Tha, des weiblichen), gibt es das Bild eines Vogels, der nur richtig fliegen kann, wenn beide Flügel gleich entwickelt sind. Wie steht es um deine Flügel? Segelst du mit Anmut durchs Leben? Oder humpelst du als einbeiniger Pirat durchs Leben, der sich auf die Stütze seiner „besseren“ Hälfte verlässt?
Es stellt sich die Frage, wie wir in Kontakt kommen können mit unseren psychischen Anteilen. Jede Form der Selbsterforschung und -beobachtung ist dazu geeignet. Reflektiere die Rollen, die du in deinen Beziehungen mit andern eingehst. Gibt es Situationen, die sich immer und immer wieder auf deinem Lebensweg wiederholen? Dies sind Indizien für Aspekte in dir, die noch der Heilung und Integration bedürfen.
Wenn du Lust hast, dich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und auf spielerische Weise deine weiblichen und männlichen Anteile kennenzulernen, dann lade ich dich herzlich ein zum Shiva-Shakti Nachmittag. An diesem Nachmittag gehen wir auf eine Forschungsreise und erkunden unsere Anima und unseren Animus. Du lernst dabei wertvolle Werkzeuge kennen, wie du tiefer in die Begegnung mit deinen Prägungen von Weiblichkeit und Männlichkeit gehen kannst und immer mehr Raum schaffen kannst für Verständigung und Versöhnung zwischen diesen Teilen, die oft im Krieg miteinander liegen und diese Spaltung heilen kannst.
Wann: Samstag, 17. September 2016
Zeit: 14 – 17 Uhr
Ort: Kamala Yoga Bern, Schreinerweg 15, 3012 Bern – Länggasse
Kosten: 50.- Sfr.
Anmeldung bitte bis 14. September an Katharina, Tel. 076 269 42 46
Der Workshop findet statt bei einem Minimum von 4 Teilnehmern.